Rückstellungen für Verwaltervergütung: FG Rheinland-Pfalz auf strengem Kurs

Von Andreas Kemmerling 18. November 2025 5 min. Lesezeit
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Rückstellungen für Verwaltervergütung: FG Rheinland-Pfalz auf strengem Kurs – und warum das Fragen aufwirft

Die Frage, ob Insolvenzverwalter ihre Vergütung bereits während eines laufenden Verfahrens steuerlich berücksichtigen müssen, betrifft nicht nur die Verwalter selbst, sondern auch diejenigen, die für ihre Verfahren die Jahresabschlüsse erstellen. Mit Urteil vom 19. September 2023 (5 K 1800/19) hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass eine Rückstellung für Verwaltervergütungen erst mit Beendigung des Insolvenzverfahrens gebildet werden darf. Die Revision ist beim Bundesfinanzhof anhängig (Az. III R 35/23). Das Urteil hat in der Fachwelt für Aufsehen gesorgt, weil es eine streng formalistische Linie verfolgt, die in der Praxis zu erheblichen Problemen führen kann.

Im entschiedenen Fall wurde über das Vermögen eines selbständigen Unternehmers im Jahr 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der bestellte Insolvenzverwalter nahm in den Bilanzen für die Jahre 2016 und 2017 Rückstellungen für seine Vergütung auf. Das Finanzamt lehnte diese Rückstellungen ab. Begründet wurde dies damit, dass die Vergütung nach der Insolvenzordnung erst am Ende des Verfahrens festgesetzt werde (§ 63 InsO, § 66 InsO). Bis dahin könne der Verwalter zwar Vorschüsse beantragen, doch eine rechtlich verbindliche Verpflichtung entstehe nicht.

Der Insolvenzverwalter hielt dem entgegen, dass seine Tätigkeit laufend erbracht werde und die Verpflichtung damit wirtschaftlich bereits in den jeweiligen Jahren verursacht sei. Wer den Grundsatz der periodengerechten Gewinnermittlung ernst nehme, müsse daher auch die Vergütung anteilig berücksichtigen. Das Finanzgericht schloss sich dieser Argumentation nicht an. Es folgte der Linie des Bundesgerichtshofs, wonach die Fälligkeit der Vergütung rechtlich erst mit Abschluss des Verfahrens entstehe. Da Teilfälligkeiten gesetzlich nicht vorgesehen seien, könne auch keine Rückstellung gebildet werden.

Nach § 249 Abs. 1 HGB in Verbindung mit § 5 Abs. 1 EStG sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, wenn die Verpflichtung wahrscheinlich ist, dem Grunde nach besteht und wirtschaftlich in der Vergangenheit verursacht wurde. Damit soll die Gewinnermittlung periodengerecht erfolgen und ein zutreffendes Bild der wirtschaftlichen Lage vermittelt werden.

Gerade an diesem Punkt überzeugt das Urteil nicht. Die Tätigkeit eines Insolvenzverwalters entfaltet ihre wirtschaftliche Wirkung nicht erst mit der Schlussverteilung, sondern vom ersten Tag der Amtsführung an. Berichte, Verwertungsmaßnahmen, die Befriedigung von Gläubigern – all dies sind Leistungen, die wirtschaftlich ursächlich für die spätere Vergütung sind und im laufenden Verfahren bereits erbracht werden/worden sind. Dass die rechtliche Festsetzung formal erst am Ende des Verfahrens erfolgt, ändert daran nichts. Die Entscheidung des Gerichts verengt den Blick auf einen rein formalen Aspekt -nämlich die spätere Festsetzung und nicht die wirtschaftliche Begründetheit- und ignoriert den eigentlichen Sinn der Rückstellungsbildung.

Für die Praxis bedeutet das Urteil eine erhebliche Verzerrung der steuerlichen Ergebnisse. Jahresabschlüsse, in denen keine Rückstellungen für Verwaltervergütungen gebildet werden dürfen, weisen höhere Gewinne aus, als es der wirtschaftlichen Realität entspricht. Dies kann zu Steuerbelastungen führen, die in keiner Weise die tatsächliche Leistungsfähigkeit widerspiegeln. Vorschussanträge bieten hier keine echte Lösung, da sie ein insolvenzrechtliches Instrument zur Sicherung der Liquidität sind, aber die periodengerechte Abbildung in der Bilanz nicht ersetzen.

Gerade für langwierige Verfahren entsteht damit ein Problem: Aufwendungen, die wirtschaftlich längst verursacht sind, bleiben unberücksichtigt, bis das Verfahren abgeschlossen ist. Das ist nicht nur praxisfern, sondern widerspricht dem objektiven Nettoprinzip als Ausfluss der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, dass das Steuerrecht im Übrigen auch verfassungsrechtlich (abgeleitet aus Art. 3 GG) leiten sollte.

Es ist zu begrüßen, dass die Revision zugelassen wurde. Der Bundesfinanzhof hat nun die Möglichkeit, für Klarheit zu sorgen. Wir halten es für geboten, dass er anerkennt, dass die Verpflichtung zur Verwaltervergütung zwar formal erst am Ende festgesetzt wird, wirtschaftlich jedoch laufend entsteht. Eine zeitanteilige Rückstellungsbildung wäre nicht nur sachgerecht, sondern entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 249 HGB.

Unser Fazit ist eindeutig: Das Urteil des FG Rheinland-Pfalz ist zu formalistisch und praxisfern. Es verkennt die wirtschaftliche Realität der Insolvenzverwaltung und führt zu einer bilanziellen Darstellung, die mit dem tatsächlichen Geschehen nicht übereinstimmt. Ob der BFH hier korrigierend eingreift, bleibt abzuwarten. Bis dahin ist es wichtig, dass Insolvenzverwalter und ihre Berater die steuerlichen Auswirkungen genau im Blick behalten – und sich auf eine Rechtslage einstellen, die aus unserer Sicht dringend einer höchstrichterlichen Korrektur bedarf.